Nachrichten und Informationen aus der Barlachstadt Güstrow

Ernst Barlach wird postum Ehrenbürger Güstrows

Einstimmig beschloss die Stadtvertretung der Barlachstadt Güstrow in ihrer letzten Sitzung am 8. April 2010, dem Maler, Grafiker, Bildhauer und Schriftsteller Ernst Barlach (1870 – 1938) postum die Ehrenbürgerschaft zu verleihen. Er gilt als einer der bedeutendsten Bildhauer des Expressionismus und ist heute weltweit anerkannt. In der Liste der Ehrenbürger der Stadt Güstrow, die seit 1843 geführt wird, stehen heute 15 Namen. Nach der Wende gab es bisher drei dieser besonderen Ehrungen: 1995 für Helmut Schmidt, Bundeskanzler a. D., 1997 für Slata Kowalewskaja und 2003 postum für Wilhelm Beltz.
Anlass der Verleihung der Ehrenbürgerschaft postum an Ernst Barlach ist das Jubiläum der Stadt „100 Jahre Barlach in Güstrow“. In der Begründung würdigt die Stadtvertretung den außergewöhnlichen Künstler und sein Werk, das Güstrow weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht hat. Die Verleihung der Ehrenbürgerschaft wird im Rahmen einer Gedenkfeier am 1. Oktober 2010 im Atelierhaus am Heidberg erfolgen.

Dr. Gerhard Jacob (Güstrower Arzt, Stadtvertreter der Fraktion Güstrower Wählerbund und Vorsitzender des Fördervereins der „Freunde der Barlach-Museen“ e.V.) fand in der Sitzung der Stadtvertretung ehrende Worte:

„Sehr geehrter Herr Stadtpräsident, werter Herr Bürgermeister,
meine Damen und Herren Stadtvertreter und Stadtvertreterinnen,

Das wechselvolle, stets problematische Verhältnis der Stadt Güstrow zu seinem Wahlbürger und Künstler Ernst Barlach, hat im letzten Jahrzehnt einen erfreulichen Ausgleich erfahren, was sich nun, über 70 Jahre nach seinem Ableben, auch darin niederschlägt, dass er durch Beschlussfassung des heutigen Tages die politische Ehrung erfährt, die durch sein direktes und indirektes Wirken ihn als einen der Ersten herausstellt, dem die Benennung Ehrenbürger der Stadt Güstrow eigentlich zukommt.
Als Ernst Barlach vor 100 Jahren Güstrow zum Wohnsitz und Arbeitsort wählte, hat es nur wenige Jahre gedauert, bis eine zunehmende Feindschaft und Ablehnung für all diejenigen Künstler eintrat, die bereit waren, sich neuen und eigenen Betrachtungsweisen der Welt zuzuwenden.
In den zahlreichen Künstlerströmungen der Moderne wurde eine Richtungslosigkeit, einer Auflösung und Zerstörung traditioneller Werte gesehen, und die Theorien von Schollenbindung, Germanentum und deutscher Überlegenheit fanden nicht nur Duldung, sondern allgemeine Zustimmung. In die verurteilungswürdige Kategorie des fremdländisch Ostischen, des allzu duldend Denkenden, wurde auch Ernst Barlach schnell eingeordnet.
So stieß er in Güstrow auf zunehmende Ablehnung, wurde als verschrobener Sonderling betrachtet, oder gar angefeindet. Ein Rückzug aus dem Stadtbild, selbst sein Wunsch, Güstrow endgültig und für immer zu verlassen, lagen bei Barlach schließlich in den letzten Jahren sehr nahe.
Die dem „Dritten Reich“ folgende Ideologie sah sich im Werk Barlachs ebenfalls nicht repräsentiert: er galt als ein Zurückschauender, seine Kunst bot keine Zukunft, war kein Vorbild für die proklamierte heroische Gesellschaft. So war auch diese Zeit für das Werk Barlachs nur eine äußerst stille Existenz.
Um so erfreulicher, meine Damen und Herren, ist heute nun die Situation, dass Güstrow sich stolz Barlachstadt nennt und postum Ernst Barlach zu seinem Ehrenbürger macht.
Mit dieser Beschlussfassung wird eigentlich nicht nur Ernst Barlach eine Ehre erwiesen, sondern Ernst Barlach erweist vor allem Güstrow eine Ehre.“

Bild: Selbstbildnis Ernst Barlachs 1928, Lithographie

 

Frau Barbara Zucker, Barlachstadt Güstrow, Pressestelle am 23.04.2010